Samstag, 27. Mai 2017

Sind wir schon am Ziel?

Zurück auf dem Trail zurück im Regen. Wir haben auch wirklich gar kein Glück mit dem Wetter. An Tag zwei nach den Trail-Days begann bereits vormittags wieder der Dauerregen. Es nieselte, regnete und schüttete den ganzen Tag. Ein Tag mit viel Steigung und schweren felsigen Passagen. Für die letzten zwei Meilen an diesem Tag brauchten wir beinahe zwei Stunden! Der Trail verlangte von uns mehr ab, als wir aushielten. Tränen sind geflossen und Heimweh hat uns zum Abbruch gebracht. Der Tag war aber schon spät und so blieb uns nichts anderes übrig als unser Zelt im Regen aufzustellen. Haben wir noch Spaß an unserem Abenteuer? Kann der Trail uns noch mehr bieten als wir bereits erlebten? Sind 770 Meilen nicht schon eine großartige Leistung? Und warum verdammt hört es nicht auf zu regnen? Hike your own hike, sagt man hier oft. Vielleicht sind wir ja schon am Ziel von unserem. Morgen wollten wir ein Shuttle rufen und auch von einem Wanderfreund haben wir uns schon verabschiedet.
Am nächsten Tag sind wir mit bedrückter Stimmung aufgewacht. Es hat die ganze Nacht geregnet und es regnete immernoch. Wir warteten bis der Shelter leer war und bauten dann das Zelt ab. Im Shelter haben wir Frühstück gekocht und das Shuttle gerufen, welches uns für 200$ nach Harper's Ferry bringen würde. Aber sagt man nicht immer, man soll niemals an einem schlechten Tag aufhören? Bei Vero meldete sich auch schon die Stimme die sagte, du kannst noch nicht aufhören und Angelo war zu geizig für das Shuttle und wollte Hitch-Hiken. So sollten die nächsten 1,5 Meilen zum Parkplatz darüber entscheiden, wie es weiter geht. Nun ist der Funke auch wieder auf Angelo übergesprungen. Gegenseitig redeten wir uns Mut ein und die Knie von Vero waren weniger schlimm als gestern. So ist sie dann einfach am Parkplatz vorbei gewandert. Trotz des neuen Mutes war der Tag nicht sehr lange. Es hat durchgehend geregnet und sollte noch schlimmer werden. Da haben wir uns auf einem schönen Sattel mit naher Wasserquelle nieder gelassen. Nicht, dass es dank des Dauerregen an Wasser fehlen würde. Gekocht wurde im Zelt. Langsam sind wir das schon gewohnt. Gegen später wurde aus dem Regen tatsächlich noch Platzregen und es bildeten sich Pfützen rund um unser Zelt. Doch die letzte Wettervorhersage versprach einen trockenen nächst Tag. Kaum zu glauben, nachdem es bis weit nach Mitternacht regnete.
Tatsächlich konnte man im Dämmerlicht am Morgen über dem Nebel blauen Himmel erkennen. Unser Zeltplatz stellte sich als gut gewählt heraus. Um uns herum waren knöcheltiefe Pfützen. Ein paar Wolken am Himmel konnten der Sonne nichts ab, sodass unsere Klamotten langsam trockneten. Doch der Trail sollte doch noch Neues für uns bereit halten. Ein sehr nettes älteres Pärchen kam uns entgegen. Der Bach vor dem nächsten Shelter ist zu einem unpassierbaren Strom angeschwollen. (Und weitere Regenschauer gegen später, Gewitter in der Nacht.) Sie wollten sechs Meilen zurück wandern um den Abschnitt irgendwie zu umfahren. Sogleich war auch der Himmel, sowie unsere Stimmung, grau geworden als würde es jeden Moment wieder anfangen. Sechs Meilen zurück wandern kam für uns nicht in Frage. So gingen wir hinab und sahen tatsächlich einen unpassierbaren reißenden Fluss vor unserem Shelter. Ein Ridgerunner (ein Ranger) war auf der anderen Seite und riet uns zwei bis drei Stunden zu warten, bis der Wasserspiegel sich senkt. So fingen wir an unsere nassen Sachen über Leinen zu trocken und kochten uns etwas zu Essen. Nach ca. drei Stunden packten wir dann unsere Ausrüstung zusammen. Die Sonne schien und von Regen war keine Spur zu sehen. Alles war trocken, bis auf die Schuhe, und so sollte es auch bleiben. Wir zogen unsere Hosen aus und Rucksäcke auf. Angelo zuerst und Vero hinterher. Zentimeter für Zentimeter tasteten wir uns voran und hielten uns gegenseitig an beiden Armen fest. Immer nur eines der vier Beine wagte einen Schritt. Wir kamen zu der tiefsten und zugleich gefährlichsten Stelle. Hier war die Strömung am stärksten. Das Wasser reichte Vero fast bis zur Hüfte. An Angelo vorbei schritt sie vorsichtig zum anderen Ufer. Wir haben es geschafft! Abenteuer pur. Der Trail hat also doch noch Neues zu bieten. Wir wanderten bis zum nächsten Shelter. Der Regen blieb aus. Das war fast eines der schönsten Tage die wir auf dem Trail verbrachten.
Auch der kommende Tag sollte für uns schönes Wetter bringen. Gut gelaunt konnten wir das Camp abbauen, Frühstücken und uns zwischen netten Worten mit anderen Wanderern fertig machen für den Trail. Es stand ein größerer Aufstieg an der uns schöne Aussichten brachte. Nichts, was wir nicht schon gesehen hätten, aber bei schönem Wetter sind diese immer zum genießen!
"Vero, ich glaube ich bin am Ziel. Ich bin fertig mit dem Trail." - "Ich bin auch fertig. Bring mich nach Hause."
Wir haben nicht im Regen aufgehört. Wir haben aufgehört an einem wunderschönen Tag. Doch der Trail hatte nichts mehr für uns zu bieten, was wir nicht schon erlebt haben, oder wofür wir den Preis bereit sind zu zahlen. Knieschmerzen waren Alltag seit mehreren Wochen und wir haben auch lange Schmerzmittel genommen. Gesunder Lebensstil sieht anders aus. Es gibt noch viel zu erleben und wir haben definitiv Lust am Outdoor Leben.
Wir hatten 800 Meilen Abenteuer, 70 Tage wildestes Outdoor Leben, tausende unvergessliche Eindrücke, eine Menge neuer Freundschaften, unzählbar viel Liebe füreinander und keinerlei Bedauern!
Natürlich sind Abschiede immer schwerer und dieser Abschied schmerzt uns im Herzen. Aber heute ist für uns das Appalachian Trail Abenteuer vorbei. Wir sind am Ziel!

7 Kommentare:

  1. Lieber Angelo - Liebe Vero

    Unseren aller größten Respekt!
    Eine tolle Leistung, an der ihr uns trotz der widrigen Umstände regelmäßige habt teilnehmen lassen.
    Hut ab vor dieser Entscheidung und auch wenn es sich abgedroschen anhört:
    Wie sagt man immer so schön- "Der Weg ist das Ziel" und das habt ihr jetzt erreicht!
    Glückwunsch dazu!!!
    Euer Abschiedsbericht hat uns zu Tränen gerührt!
    Aber wie sage ich immer: It is, like it is!
    Ganz liebe Grüße an euch Beide.
    Take care.
    Ulrike&Juergen& Papa

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  2. Respekt dafür, dass ihr so lange durchgehalten habt. Und Respekt für eure Entscheidung, jetzt aufzuhören. Wenn es einem nichts mehr bringt, dann ist es richtig aufzuhören.

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  3. Well done! Ihr könnt wirklich stolz auf euch sein!

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  4. Tolle Leistung! Hätte euch weiterhin die Daumen gedrückt! :)
    Kommt heile nach Hause!

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  5. Wow, ich heule gerade *schnief* wirklich schöne Worte zum Abschied!

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    1. Mama hat gesagt ihr seid noch bei Verwandtschaft - wie geht es denn dann weiter, oder wisst ihr das noch nicht?

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    2. Vielen Dank für die lieben Worte. Wir haben uns noch einige Städte an der Ostküste angesehen. Aber Ende dieser Woche fliegen wir wieder heim!

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